2023-02-03
Ich habe vor einigen Jahren entschieden, dass der Freitag mein freier Tag sein soll. T.G.I.F – thank god it’s Friday! Warum ich mich für diesem Tag nicht beim Herrgott bedanken kann und was meine Schwierigkeiten waren, an diesem Tag wirklich frei zu sein, erfährst du in diesem Blogartikel.
Einfach frei machen – gar nicht so leicht
An irgendeinem Punkt habe ich entschieden Wissenschaft nur in Teilzeit zu machen, auch wenn das nach Auffassung vieler nicht wirklich möglich ist. Es ist auch schwierig, aber das werde ich vielleicht an anderer Stelle nochmal aufgreifen. Schwieriger als Wissenschaft in Teilzeit ist es nämlich, sich wirklich einen Tag frei zu nehmen und diesen auch ausschließlich für sich zu beanspruchen. Meine ersten Gehversuche mit einem freien Tag endeten damit, dass ich das Haus putzte, einkaufte und alles vorbereitete, damit das Wochenende so unbelastet werden würde wie möglich. Ich weiß gar nicht warum, aber irgendwie wollte ich es meiner Familie so bequem wie möglich machen. Das ist ja grundsätzlich kein schlechter Wunsch. Nur dass hinter dem Wunsch es meinen Lieben bequem zu machen eher die Angst stand unbequem und nutzlos zu sein. Über die Wochen und Monate akkumulierte sich außerdem eine Unzufriedenheit darüber, die Zeit, die ja eigentlich für mich sein sollte, immer für andere oder unnützen Beschäftigungstherapie aufzuwenden. Es ging mir schlicht und einfach auf den Keks. Und das so sehr, dass die anschließenden Wochenenden gar nicht so wurden, wie ich es beabsichtigt hatte. Es sei hier kurz erwähnt, dass es Frauen und Mütter gibt, denen das entspricht und die Erfüllung darin finden ausschließlich zu versorgen (was ich aber tatsächlich psychologisch hinterfragen möchte, aber hier mag es für die Unterscheidung reichen) und solche, die das eben nicht erfüllt. Ich versorge gern, wenn ich mich ausgeglichen fühle. Das erfordert aber, dass ich nicht unwesentlich viel Zeit für mich und meine Selbstverwirklichung und Selbstfürsorge verwende. Bis ich das verstanden hatte gingen allerdings einige Jahre voller Schuldgefühle, Selbstverrat und Suchen ins Land. Wenn etwas nicht funktioniert, dann versuchst du es vielleicht nicht doll genug, richtig? Noch während ich das schreibe, schleicht sich eine Bewertung in meinen Kopf, wie egoistisch das klingt. Ich versichere aber an dieser Stelle, dass ich bedürfnis- und bindungsorientiert erziehe und Beziehung führe. Es kommt hier also niemand zu kurz, weder klein noch groß. So viel zu meiner Rechtfertigung. Ich musste mich also damit auseinandersetzen, warum es mir so schwerfiel, mir wirklich frei und Zeit für mich zu nehmen. Auch hier hat mir der Ansatz aus dem Yogasutra gute Dienste geleistet: die Kleshas überwinden. Das hatte ich in der Theorie natrülich schon verstanden, aber dieses Freitagsprojekt hat mich wirklich das tiefe Verständnis gelehrt. Ich musste herausfinden, was meine falschen Überzeugungen und Prägungen sind. Und ich musste Selbstfürsorge neu für mich definieren und herausfinden, dass diese Zeit zwar für mich, aber im Umkehrschluss auch nützlich für die ganze Familie ist und für alles andere eigentlich auch. Warum aber ist mir das so schwergefallen? Ich muss dafür ein bisschen ausholen und hoffe Du hast ein bisschen Zeit das zu lesen, denn ich finde es wichtig das zu wissen. Kleshas, die Hindernisse auf dem Weg zur inneren Freiheit, sind nämlich nicht etwas, das du allein verschuldet hast. Unsere Überzeugungen sind ein Produkt aus Prägung, transgenerationaler Traumata und Informationstransfer und unserer Erfahrungen in unseren sozialen Gefügen.
Unser schwieriges Verhältnis zum Freitag
Wir haben ein schwieriges Verhältnis zum Freitag. Zu freien Tagen allgemein, aber das Verhältnis zum Freitag ist insbesondere schwierig, denn an ihm manifestieren sich vielerlei gesellschaftlicher Missstände. Die ganze Woche nämlich warten wir auf diesen Tag, der voller Verheißungen für ein grandioses Wochenende ist. Wir nennen sogar den Donnerstag einen kleinen Freitag, nur um diesem Friday-Feeling schneller näher zu kommen. Oft aber ist der Freitag dann aber eher ernüchternd, sind wir doch oft viel zu erschöpft, um Großes zu vollbringen. Als ich noch jung und zwar nicht sorglos war, aber doch nur an mich allein denken musste (was zwischen 13 und 21 anstrengend genug war), musste natürlich immer eine große Party her. Die aber endete, wenn man mal ehrlich ist, oft mit ein paar Flaschen billigen Sekt an der Kirchenmauer neben dem Pfarrheim (die Ironie wirst du vielleicht weiter unten im Text verstehen) und war trotz des Alkohols so ernüchternd, dass man am darauffolgenden Montag jedes noch so kleine Detail elefantös aufgebauscht werden musste. Aber es waren auch großartige Partys dabei mit durchtanzten Nächten und süßen Jungs und Kribbeln im Bauch und Sonnenaufgang. Das jedoch war, bevor ich als vollwertiges Mitglied in der Gesellschaft angekommen war und der Freitag von Kantinenfisch und liegengebliebenen Aufgaben der Woche geprägt war.
Freitag – eigentlich ein Tag für Sinnlichkeit und Genuss
Ursprünglich wurde der Freitag nach der germanischen Liebesgöttin Freya benannt. Freitag ist also eigentlich ein Tag für die Liebe und den Genuss. So weit so gut, wäre da nicht die Kirche gewesen. Weil der Herr Jesus nämlich angeblich an einem Freitag ans Kreuz genagelt wurde, wurde kurzerhand jeder Freitag zu einem Trauertag erklärt. Spaß durfte man dann also nicht mehr haben und es wurde auch immer eher kärglich gegessen, wenn nicht sogar gefastet. Etwas, dass wir heute noch in jeder Kantine antreffen, wenn es freitags statt Fleisch „nur“ Fisch gibt. Vielleicht wegen der Fleischeslust, die es zu unterbinden galt, wer weiß. Auch deswegen gibt es übrigens Maultaschen, die im Schwäbischen „Herrgottsb‘scheißerle“ heißen, weil man in ihrer Füllung so schön Fleisch verstecken konnte, ohne dass der Herrgott es am Freitag sehen kann. Dank der Kirche ist der Freitag also eher ein freudloser Tag, an dem man vielleicht bis zu umfallen feiert und sich betrinkt oder in einer anti-Haltung mondän essen geht (es ist der schlechteste Tag für Yogastudios, aber nicht für Restaurants), aber nicht einfach nichts tut. Auch geht man scheinbar gerne ins Fitnessstudio, um sich ob der am Wochenende anstehenden Entgleisungen schon mal vorsorglich zu bestrafen (etwas, das ich früher selbst regelmäßig gemacht habe und auch bei vielen anderen Menschen beobachte).
Es schlagen also jeden Freitag zwei Herzen in unserer Brust: einmal der Wunsch, ja vielleicht sogar die Sehnsucht nach einer verkopften Arbeitswoche endlich ganz im Sinne Freyas Zeit für Genuss und Sinnlichkeit zu haben. Auf der anderen Seite schwebt die moralische Verpflichtung über uns, den Freitag kärglich, arbeitsam und asketisch zu verbringen, um dem Tod des Heilands gerecht zu werden, schließlich hat er sich ja für unser Seelenheil geopfert. Da kann man ja nicht singend und tanzend oder gar Nichts tuend seine Zeit verplempern. Überhaupt ist der Freitag eigentlich auch gar nicht der letzte Tag der Woche, was vor allem Menschen, die in der Pflege, im Einzelhandel oder Gastronomie arbeiten, wissen. Hier also schon freitags die Arbeitsmoral sinken zu lassen, ist nicht erwünscht. Ich gehöre auch noch zu der Generation, die zumindest in der Unterstufe jeden zweiten Samstag zu Schule gehen musste, so dass ich auch dahingegend geprägt bin, dass man erst am Samstagnachmittag wirklich frei war, wäre da nicht der lange Arm der Hausaufgaben gewesen.
Der Freitag und die Ungleichheit unserer Gesellschaft
Tatsächlich verbringen wir also trotz ihrer zu Recht nachlassenden Popularität unsere Wochen Jahr ein Jahr aus im Rhythmus der Kirche mit dem Sonntag als Tag des Herrn (der gehört uns also eigentlich auch nicht). So richtig frei haben wir also erst am Samstagabend und nicht schon am Freitag, auch wenn er so heißt. Auch das gilt aber wieder nur für einen Teil unserer Gesellschaft, denn ein anderer muss dafür herhalten, dass die Maintainance gewährleistet ist. Das trifft für Krankenhäuser, Tankstellen und öffentlichen Nahverkehr, sowie viele andere Bereiche zu. Außerdem will der Bürger sich an seinem freien Tag ja amüsieren und unterhalten lassen. Es muss also Menschen geben, die die Illusion eines freien und sorglosen Tags mit ihrer Arbeitskraft aufrechterhalten. Ein vollwertig freier Tag erfordert also zwei Dinge: irgendjemand muss dafür arbeiten und ein anderer jemand muss über genügen Geld verfügen, um daran teilnehmen zu können. Und damit dieses Gleichgewicht nicht gestört wird und etwa der arbeitende Teil plötzlich zu Genießern, oder ich sollte besser sagen Konsumenten wird, ist diese Art von Arbeit so schlecht bezahlt, dass ausbrechen aus diesem Konstrukt immens erschwert wird. Jeder sollte in dieser Gesellschaft wissen, wo sein Platz ist. Unsere Woche ist also immer noch kirchlich organisiert und die Kirche ist ja nun mal nicht dafür bekannt, dass sie das geistige und leibliche Wohl im Sinne des Individuums und den Genuss predigt.
Freizeit und Industrialisierung
Neben Jesus, dem Papst und dem lieben Herrgott ist aber ein weiterer Mann für unser Verhältnis von Arbeitszeit und Wochentagen verantwortlich: Henry Ford. 1914 reduzierte er die tägliche Arbeitszeit von bis zu 10 Stunden auf 8 Stunden. Grund dafür war nicht etwa, dass man festgestellt hatte, dass Menschen trotz mehr Arbeitszeit weniger produktiv und weniger gesund sind (was aber auch stimmte). Nein, Henry schlug die verkürzte Arbeitszeit vor, damit die Menschen auch Zeit hätten, ihr sauer verdientes Geld auszugeben für Dinge, die man eigentlich nicht brauchte. Das Wirtschaftswunder hatte einen Motor. Zwar wurde es immer populärer sich das Leben eigentlich zu erleichtern, wie z.B. durch Wasch- und Spülmaschinen, und Zeit zu sparen, aber diese Zeit sollte nicht etwa für Regeneration und Innenschau aufgewandt werden, sondern für Konsum. Bis dahin hatten Arbeiter nach ihrem Feierabend wirklich frei. Vielleicht traf man sich mit den Nachbarn auf der Straße für Klatsch und Tratsch. Im ländlichen Raum lag die durchsnittliche tägliche Arbeitszeit außerdem bei etwa 6 Stunden. Oder sie sie war Aufgaben- statt Prozess-orientiert, was einem nach Feierabend das Gefühl gab, tatsächlich etwas geleistet zu haben und dass freie Zeit nun wirklich verdient war. Dass änderte sich mit der Industrialisierung um 180°. Wenn wir schon nichts taten, sollten wir wenigstens Geld ausgeben. Hand aufs Herz, wer betrachtet das freie Wochenende als willkommene Möglichkeit für eine Shoppingtour? Und wie viele von den Dingen, die man dann kauft, braucht man auch wirklich? Sehr wenige will ich meinen.
Homeoffice – nur auf dem Papier eine gute Idee
Seit der Erfindung des Online-Shoppings können wir außerdem unseren Beitrag als Konsumenten leisten, wenn eigentlich keine Zeit ist, „in die Stadt“ zu fahren. Die meisten Onlinekäufe werden zwischen 9 und 11 Uhr vormittags getätigt. Dann also, wenn wir in den meisten Fällen eigentlich arbeiten sollten. Das sagt eine Menge über die Art unserer Arbeit aus, aber vor allem zeigt es, dass die Grenzen zwischen Privatleben und Arbeitszeit immer mehr verschwimmen. Konnten wir vor gar nicht allzu langer Zeit unsere Arbeit auch wirklich nur am Arbeitsplatz verrichten, ist es im Zeitalter der Digitalisierung und damit entstandenen Betätigungsfeldern möglich immer und überall zu arbeiten. Seit der Corona-Pandemie hat man auch noch die wunderbare Möglichkeit des Home-Office entdeckt und die Jugend feiert, dass man mit seinem Laptop sogar am Strand von Bali oder aus dem Van arbeiten kann, schnelles, mobiles Internet sei Dank. Ist das nicht toll? Niemand kann also mit der Ausrede kommen, er sei im Urlaub, hätte kein Internet und könne nicht arbeiten. Außerdem gehen wir scheints nur noch spazieren, um uns wenigstens beim Beantworten von Kundennachrichten zu bewegen (schuldig auf ganzer Linie). Und wenn wir schon nicht arbeiten, dann müssen wir uns wenigstens selbstoptimieren und unsere Vitalparameter überwachen.
Freizeit ist anders für Frauen
Nicht zu arbeiten und dann auch nichts zu tun, erfordert also eine bewusste und aktive Entscheidung für die Freizeit. Da wir aber dank der Industrialisierung das Mindset verinnerlicht haben, dass Zeit Geld ist (und Geld Macht, die viele im Zeitalter des Narzissmus haben anstreben), können wir uns fast nicht freiwillig gegen das Arbeiten in unserer Freizeit entscheiden. Allein die theoretische Möglichkeit noch eben schnell eine Analyse am Rechner zu machen oder ein paar E-Mails zu versenden, hält uns zurück ganz und gar nichts zu tun.
Für Frauen kommt noch ein weiterer Faktor hinzu: Carearbeit. Die betrifft im Jahr 2023 zwar auch Männer, Untersuchungen der Corona-Pandemie haben aber gezeigt, dass vor allem Mütter den Ausfall von Unterricht an Schulen und Betreuung in Kitas kompensiert haben. Oft trotz gleichzeitiger Arbeitsbelastung. Die letzten drei Jahre war es also für Mütter schier unmöglich Nichts zu tun. Wir wissen das zwar heute alle, oder sollten es wissen, dass auch Väter ganz wunderbar allein mit ihren Kindern zurechtkommen und dabei einen Haushalt führen können, aber die Umsetzung und das Ausbrechen aus Jahrhunderte alten Strukturen scheint praktisch ganz schön schwer zu sein. Oder besser: es ist ganz schön schwer.
Ich Rabenmutter.
Man braucht dafür als Elternpaar viel Zeit und Raum für Reflexion. Allerdings ist sowohl Zeit als nun auch Raum mit der Möglichkeit zur Arbeit besetzt. Es kommt also einem Kraftakt gleich, solcherlei Gespräche und Austausch zu ermöglichen. Außerdem braucht es immer eine Person, die sich unbequem macht und diese Missstände anspricht. In den allermeisten Fällen ist das die Frau, denn Menschen, hier Männer, neigen dazu Missstände nicht wahrzunehmen, wenn sie eigentlich vom Status quo profitieren und das Leben dadurch leichter für sie ist. So sind unsere Gehirne einfach angelegt. Wir tragen als Frauen jedoch einen deutlichen Anteil an diesem Status quo, denn wir tun uns schwer uns unbequem zu machen. Eine Frau, die ihren Mann auch nur für ein paar Stunden alleine lässt, ist in der allgemeinen Wahrnehmung ganz schön abgebrüht. Ich habe schon Menschen über mich sagen hören, dass mein Mann ja ganz schön viel machen müsse, während ich mich selbst verwirkliche. Ich Rabenmutter. Dass ich aber auch ganz schön viel machen und zurückstecken musste, damit mein Mann die wunderbare Karriere haben kann, die er tatsächlich hat, hat mir noch niemand (außer ihm selbst) honoriert. Ich arbeite durch meine zusätzliche Nebenbeschäftigung sicherlich genauso viel, wenn nicht mehr Stunden als mein Mann, aber ich verbringe auch viel mehr Zeit zu Hause und teile mich zwischen Arbeit und Kindern auf. Wir haben zwar Wege gefunden, Carearbeit gerechter zu verteilen, aber das Gros der Arbeit liegt immer noch bei mir. Als Biologin komme ich nicht umhin zumindest einen Teil davon als eben biologisch gegeben zu betrachten, aber all die gesellschaftlichen Prägungen von Kirche, Gesellschaft und Arbeitswelt verhindern regelrecht, dass ich und andere Frauen sich von diesem Muster lösen können. Ein weiterer großer Faktor, der das beeinflusst ist, dass wir Frauen, das schlicht und einfach können. Wir scheinen als Mütter schier unmenschliche Fähigkeiten zu entwickeln, all diese Dinge unter einen Hut zu bringen. Wenigstens phasenweise, z.B. wenn wir einen Eisprung haben (melde dich gerne hier für meine kostenlose Masterclass für Frauen an). In der öffentlichen Wahrnehmung soll dann aber auch nur die ovulierende Frau in Erscheinung treten. Die menstruierende und vermeintlich wenig leistende Frau hat es immer noch schwer, kann sie ihre durchaus in dieser Zyklusphase bestehenden Fähigkeiten und Vorzüge nicht einsetzen. Ohne die Kraft der Frauen, würde der Aufbau der Nachkriegszeit wahrscheinlich immer noch andauern. Dort haben Frauen bewiesen, dass wir alles können: Kinder großziehen, aber auch Häuser wieder aufbauen und für die finanzielle Sicherheit der Familie sorgen. Natürlich nur, wenn der Ehemann das erlaubte, denn bis in die 1960er Jahre durfte eine Frau das nicht einfach selbst entscheiden. Vielleicht hatte ich auch deswegen das Gefühl, dass ich das Okay meines Mannes brauchte, um den Freitag ausschließlich für mich zu beanspruchen. Zumindest zur Hälfte. Denn mein freier Tag endet immerhin, wenn unsere Kinder aus der Schule kommen. Verlängerungen sind zwar möglich, erfordern aber Organisation. Es gibt zwar unregelmäßig absolut auch die Möglichkeit, dass ich mich an anderen Tagen für ganze Tage oder sogar ein Wochenende vollständig rausziehe aus allen familiären Verpflichtungen, aber dieser Freitagvormittag gehört jede Woche mir allein. Guess what, inzwischen arbeite ich auch an diesem Tag. Allerdings aus völlig freien Stücken und kreativ, wie z.B. an diesem Blogbeitrag.
Was ich an freien Tagen nicht tue
Was ich aber an einem Freitag nicht mache ist, Hausarbeit oder organisatorische Termine wahrnehmen, die die Familie betreffen. Wenn ich einkaufen gehe, dann nur das, was ich essen will und keine Spülmaschinen-Tabs. Ich kümmere mich nur um mich und mein Wohlbefinden. Das kann einschließen, dass ich endlich Texte aus meinem Kopf zu Papier bringe, in die Sauna gehe oder einfach nur sehr lange auf dem Sofa herumliege. Wenn es schöner draußen ist als derzeit, gehe ich wandern, ganz allein und nur mit mir. Oder in meditiere extralange über Themen, mit denen ich im Lärm des Alltags nicht weiterkomme. Ich übe mich in Selbstakzeptanz und widme mich dem Monsterprojekt meinen Körper immer zu wertzuschätzen, egal was er tut und wie der aussieht. Das schließt auch ein, dass ich jede Form von Selbstoptimierung vermeide. Ich fühle ganz tief in mich hinein, auch und vor allem in die ganz dunklen Ecken, denn davon gibt es weiß Gott genug.
Warum es für alle gut ist, wenn ich mir frei nehme
Es wäre wahrscheinlich gelogen, wenn ich behaupte, freitags immer gleich mit dieser Gewissheit aufzuwachen, wirklich nur für mich da sein zu können. Das ist so nämlich nicht, es bleibt Arbeit am Selbst. Aber ich werde besser, jede Woche ein bisschen mehr. Was sich dadurch verändert hat? Ganz schön viel. Ich kann Dinge besser sich selbst überlassen, fühle mich weniger unentbehrlich und schätze dafür die Arbeit anderer mehr. Es fühlt sich gut, oder sagen wir besser, an sich bekochen zu lassen oder dass eingekauft ist, ohne dass ich beteiligt war. Ich lasse Stück für Stück meinen Perfektionismus los und akzeptiere und schätze inzwischen, dass mein Mann manche Dinge zwar anders als ich, aber dafür oft auch besser macht. Viel zu oft habe ich in der Vergangenheit geglaubt ich würde ihm und den Kindern einen Gefallen tun, wenn ich alles alleine mache. Aber wenn wir mal ehrlich sind, ist das ein ziemlicher Vertrauensbruch. Ich habe ihnen damit phasenweise schlicht die Möglichkeit zu Wachstum verwehrt und mir eine Bedeutung verliehen, die ich einfach nicht habe.
Mein Mann und ich werden mehr und mehr das Team, was wir eigentlich sein wollen. Die Gleichwürdigkeit führt zu einer Beziehung auf Augenhöhe und es gibt keine narzisstischen Löcher mehr, die der jeweils andere füllen müsste. Auch mein Mann findet mehr Zufriedenheit, wenn er sich mehr in der Familie engagiert (und wir hatten noch nicht einmal eine bewusst klassische Rollenverteilung, oder zumindest wollten wir das nie). Ich tue also nicht nur mir etwas Gutes, indem ich ihm das Feld überlasse, sondern auch ihm und unserer Beziehung. Auch unsere Kinder erziehen wir dadurch zur mehr Selbstständigkeit, so dass wir ihnen weniger hinterhertragen müssen und sie mehr Selbstermächtigung erfahren.
Freiheit durch mehr Selbstwert
Mein Nervensystem kommt immer mehr zur Ruhe und in die Sicherheit, weil ich mir Zeit nehme Dinge zu verarbeiten und zu reflektieren. Es fällt mir außerdem zunehmend leichter auch an anderen Tagen mal nichts zu tun und statt produktiv zu sein und lieber mit einer Freundin Kaffee zu trinken. Und wisst ihr was? Es passiert gar nichts, wenn man das tut. Also es gibt keine Katastrophe zu Hause und meistens vermisst einen noch nicht mal irgendjemand besonders. Außerdem macht man seine Arbeit viel besser, wenn man sich wirklich vollständig ausgeruht hat.
Man kann einfach wegbleiben, das Handy ausmachen und für ein paar Stunden nur für sich selbst existieren. Auf diese Weise findet man seinen Selbstwert (etwas das uns oft durch Erziehung und soziales Leben abhandenkommt oder gar nicht erst vermittelt wird). Genau dann nämlich, wenn man sich durch nichts Anderes Wert verleihen muss. Kein Job, keine Beziehung, kein Konsum, keine Selbstoptimierung. Und dann ist man wirklich innerlich frei und das an jedem Tag und nicht nur an einem Freitag. Naja, ein bisschen wenigstens.
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Admin - 14:45:51 | Kommentar hinzufügen
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